Populisten sämtlicher Parteien und natürlich auch die Meute
der Medien springen gerade wieder auf einen in Fahrt kommenden Zug auf – den
eines fairen Mindestlohns in Deutschland. Es ist Wahlzeit – was sonst!
Anderenfalls würde sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keiner
dieser Populisten einem der dringendsten Probleme in diesem Lande widmen.
Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als sechs Millionen Menschen in
Deutschland im Niedriglohnsektor dahinvegetieren, ja vegetieren, denn leben
kann man mit einem monatlichen Einkommen zwischen 500 und 1000 Euro bei rund 70
Wochenstunden Arbeit in einem Hochpreisland wie unserem wahrlich nicht. Und wie
immer haben auch die Medien, die entweder im Besitz von Großkonzernen oder der
Politik und deshalb von objektiver Berichterstattung meilenweit entfernt sind, ein
Wörtchen mitzureden. Die Talkshows – angefangen bei der gekünstelten Maybritt
Illner bis hin zum Oberkonservativen Günther Jauch – wimmeln deshalb gerade von
selbst ernannten Experten und Mahnern, die einen Lohn, für den sie selbst wohl
keinen Tag arbeiten würden, als Arbeitsmarktschädigung bezeichnen. Nur einem einzigen
Zweck dienen solche Verdummungsstrategien – einen gesetzlichen Mindestlohn
final zu verhindern. Von Industrieexperten über Arbeitsmarktexperten bis hin zu
Niedriglohnempfängern wird alles eingeladen was Wut, Zorn, Gier und Mitleid
schürt und die Klassen von etwas Wichtigem abhält. Etwas, das alle Probleme in
diesem Lande sehr viel schneller lösen könnte als jede Debatte – Solidarität
und Fairness im Umgang miteinander.
Die CDU/CSU, allen voran die Mutter der Nation und Populistin
schlechthin – Arbeitsministerin Ursula von der Leyen – schämt sich tatsächlich
nicht, die Bürger dieses Landes wieder einmal zu verhöhnen. Erst war es ihr
Lieblings-Schlagwort die „Rente“ – die nicht ausreichen wird. Was hat sie noch
dagegen getan – ach ja, NIENTE! Dem Rentenproblem folgte die inhaltslose Phrase
„Stärkung der Familien“ und nun ist es endlich wieder einmal der Hungerlohn,
der immer mehr Deutsche betrifft. Schlagwörter hat Frau von der Leyen zur
Genüge parat und mit ihrer mitleiderregenden Stimme schafft sie es doch
tatsächlich immer wieder mit ihrer geheuchelten Betroffenheit zu punkten. Dabei
weiß doch jeder einigermaßen klar denkende Mensch, der zweite Name der
Schwarz-Gelben-Regierung lautet „Industrievertreter“, mit der Vertretung des
Volkes hat diese Regierung nicht das Geringste am Hut.
Würden diese verlogenen Opportunisten tatsächlich das
deutsche Volk vertreten, dann würde es in diesem Lande völlig anders aussehen.
Dann gäbe es keine Zustände und Arbeitsbedingungen wie bei Amazon, Zalando und
Lidl. Lebensmittelskandale – vom Dioxin-Skandal über Gammelfleisch bis zu
Pferdefleisch und Pilzgiften – wären dann ebenso obsolet. Die vielen
Lebensmittelchemiker, die vom Gesetzgeber alle absichtlich nicht eingestellt
oder sogar noch entlassen werden, würden das tun wofür sie ausgebildet wurden –
nämlich für die Einhaltung von gesetzlich festgelegten Grenzwerten und den
Schutz des Verbrauchers sorgen, anstatt als Account Manager für den Absatz von
Waren die Niemand wirklich braucht. Warum fehlen in der Lebensmittelüberwachung
so viele Mitarbeiter – nicht weil sie nicht vorhanden wären sondern weil dieser
künstliche Mangel Kalkül ist. Würden Lebensmittelindustrie und EU-Importe
flächendeckend geprüft, wäre dies eine Maßnahme gegen die Gewinnmaximierung
deutscher Konzerne. Weshalb? Ganz einfach, weil Lebensmittel für Niedriglöhner
billig gehalten werden müssen. Ein bekannter Mann sagte einmal: „Erst kommt das
Fressen und dann die Moral“. Wird ihnen einiges klar? Nur wer nicht hungert
gebiert nicht auf. Billige Lebensmittel können aber nicht gesund sein, das ist
ein Widerspruch in sich. Gute Qualität zu produzieren kostet Geld, viel Geld,
Geld das Niedriglöhner nicht haben. Schnäppchen-Lebensmittel sind nicht nur
ungesund oder irreführend sondern eben auch mehr oder weniger schädlich, denn
die Gewinne müssen ja maximal sein. Oder glauben sie wirklich, es gäbe so
billige Lebensmittel in Deutschland wenn deren Inhaltsstoffe von hoher Qualität
wären.
Die Mär vom Fachkräftemangel trifft auch auf die vielen
Lebensmittelchemiker zu – sie fehlen nicht sondern sind einfach zu teuer für
einen Schnäppchen-Lebensmittelmarkt. Werfen Sie einmal einen Blick in die
Arbeitslosenstatistik, sie werden staunen wie viele hochqualifizierte Deutsche
nur deswegen keine Arbeit finden weil sie zu alt und damit zu teuer, zu
intelligent und zu selbstbewusst sind. Mit solchen Eigenschaften lässt sich im
Billiglohnsektor nichts anfangen, dort sind vielmehr eingeschüchterte
Arbeitnehmer gefragt, die ohne großes Aufmucken ihrer Arbeit nachgehen und
bitte nicht auf Rechte und Schutzvorschriften pochen. Solche Menschen sind mit
dem Kampf ums Überleben beschäftigt und haben keine Zeit sich um die wichtigen
Dinge zu kümmern. Deshalb hat unsere Regierung auch auf Wunsch ihrer
Vorgesetzten - einer deutschen Ausbeuterindustrie die in Europa ihresgleichen
sucht – das Märchen vom Fachkräftemangel in die Welt setzen können ohne dass es
einen Aufschrei gab. So können, ganz legal versteht sich, Arbeitskräfte – auch
Akademiker – aus ganz Europa, und immer häufiger auch aus Indien und China nach
Deutschland geholt werden, mit dem Ziel unsere Löhne immer weiter zu drücken.
Was aktuell primär für weniger qualifizierte Arbeitnehmer gilt – das Arbeiten
für einen Hungerlohn – wird zunehmend auch immer mehr Hochqualifizierte
treffen.
Warum steht Deutschland (unsere Industrie!) so viel besser
da als der Rest Europas? Weil unsere Arbeitnehmer einen hohen Preis für diesen
Aufschwung bezahlen müssen. Dass Deutschland sich als Exportweltmeister brüsten
kann liegt nicht daran, dass wir so tolle Produkte herstellen – das ist lange
vorbei – es liegt eher daran, dass wir, im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich,
England, Spanien oder Italien, einen immer größeren Teil unserer Menschen
regelrecht ausbeuten. Die Menschen dieses Landes bezahlen für den Wohlstand der
wenigen Reichen, der immer schneller wächst und wächst. Was die Europäer
wahrnehmen ist der Reichtum einer kleinen Schicht – der Großkonzerne und ihrer
Bosse – die wie ein Parasit auf Kosten vieler Armer lebt. Dieser Parasit saugt
und saugt und wird erst aufhören wenn sein Wirt am Ende ist. Deutschland ist schon
heute so etwas wie das China des Westens, nirgends ist Arbeit so billig wie bei
uns, verglichen mit Ländern ähnlicher Leistungsfähigkeit. Und wer nicht
ausreichend Geld hat, der kann selbstverständlich auch keine gesunden
Lebensmittel bezahlen. Ergo, muss es einen Schnäppchenmarkt für Lebensmittel
geben. Und dass so ein Schnäppchenmarkt uns buchstäblich nur „Scheiße“ als
Nahrung verkauft, das muss jedem vernünftigen Menschen klar sein.
Das ganze ist eine Art Teufelskreis, der sich nur durch eine
grundlegende Änderung des Gesamtsystems durchbrechen lässt. Der
Turbokapitalismus ist in der Sackgasse, er hat keine Zukunft mehr, selbst die
Schweiz hat dies erkannt. Rund 70 Prozent haben dem Volksentscheid zur
Abschaffung von Manager-Boni und Millionen-Abfindungen gestern zugestimmt. Wir
stehen gerade, wo der Sozialismus kurz vor seinem Zusammenbruch stand, es ist
also nur noch eine Frage der Zeit wann hier alles den Bach runter geht. Lassen
wir uns nicht täuschen, hinter unserem Rücken werden schon Devisen getauscht,
Gold angehäuft und alles was Wert hat aus dem Euro abgezogen. Die Reichen sind
dabei ihr Hab und Gut vor einem drohenden Zusammenbruch in Sicherheit zu
bringen, doch uns lässt man glauben, Alles sei in bester Ordnung. Während die
EU versucht, das System mit billigem Geld von der europäischen Zentralbank zu
stabilisieren, planen EU-Staaten bereits ihren Ausstieg. Hier schimpfen
Politiker über Silvio Berlusconi und nennen ihn einen Clown. Man mag von ihm
denken was man will, er hat nicht ganz Unrecht mit seinen Einwänden gegen die
EU, die uns alle noch ärmer machen will und wird.
Eines ist klar, die Debatte um den Mindestlohn ist nicht
viel mehr als Wahlpropaganda und wird nicht viel mehr bringen als ein paar Euro
mehr in den Taschen der Ärmsten. Ingesamt aber wird die Masse der Deutschen
immer ärmer werden. England, Frankreich und sogar Italien haben schon seit
Langem einen Mindestlohn. Und sie weigern sich auch ihre Industrie auf Kosten
ihrer Arbeitnehmer wettbewerbsfähig zu machen, was kein Fehler sondern richtig
ist. Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten einer ganzen Bevölkerung, das kann es
nicht sein. Italien sieht nicht ein, seinen Arbeitnehmern Rechte des
Kündigungsschutzes zu nehmen und deren Gehälter zu kürzen, alles was die Agenda
2010 zu unseren Lasten und den Gunsten der Industrie getan hat und was wir
jetzt auch von Italien fordern. Weltweite Konkurrenzfähigkeit führt in die
Sackgasse und zum Niedergang eines jeden Volkes. Sie bedeutet im Klartext
nichts anderes als eine weltweite Nivellierung der Lebensbedingungen. Wollen
wir wirklich so leben wie die chinesischen Arbeiter, nur damit unsere
Großindustrie weiterhin Exportweltmeister sein kann.
Wenn alle Deutschen eine leistungsgerechte Bezahlung
erhielten – und das müssten beim Preisniveau einer Stadt wie München mindestens
2000 Euro Netto sein – dann hätten wir einen funktionierenden Binnenmarkt und
müssten nicht Exportweltmeister werden. Die Gier regiert in den Großkonzernen,
sie wollen alle Reichen weltweit erreichen und die Arbeitnehmer sollen für
diese Expansion bezahlen. Das muss endlich ein Ende haben. Deshalb brauchen wir
auch keinen Mindestlohn, vielmehr müssen wir uns für eine Lohnobergrenze stark
machen. Nur eine Lohnobergrenze kann uns langfristig echten Wohlstand bringen
und zwar allen und nicht nur 10% der Bevölkerung. Ein Volksentscheid nach dem
Vorbild der Schweiz ist deshalb das einzig Wahre. Wenn Bosse ab sofort nur
maximal zehnmal so viel verdienen dürften wie der am schlechtesten bezahlte
Mitarbeiter im Unternehmen, würde sich das Problem der Niedriglöhne ganz von
selbst lösen. Die Gier der Manager würde zu massiven Lohnsteigerungen in den
unteren Etagen führen. Die guten Gehälter würden zu einer gesteigerten
Nachfrage an hochwertigen Lebensmitteln und Produkten beitragen, den Binnenmarkt
stärken und Schnäppchen-Lebensmitteln ganz von selbst das Wasser abgraben. Wenn
all’ diese Lobbyisten einmal echte Weitsicht walten ließen und weniger auf die
Höhe ihrer Honorare schielen würden, dann hätte Deutschland blühende
Landschaften und glückliche Menschen – eine Illusion, ich weiß!