Montag, 25. Februar 2013

EMPÖRT EUCH ENDLICH!


Thomas Minder bringt es auf den Punkt, in einem Interview in der aktuellen Wirtschaftswoche fordert der Rebell aus der Schweiz: „Wir müssen der Abzockerei der Top-Manager endlich einen Riegel vorschieben!“ Doch  der Schweizer Unternehmer, der sein Geld mit Zahnpasta und Mundwasser verdient und sich bei den Grünen engagiert, schwingt nicht nur große Reden. Minder ist Initiator einer Volksabstimmung, die den so freiheitsliebenden Schweizern wie der Vorhof zur Sozialismus-Hölle vorkommen muss. Dass die Situation prekär ist und von Arbeitnehmern auf der ganzen Welt nicht mehr einfach so hingenommen wird, zeigt der Zuspruch der bevorstehenden Volksbefragung. Nach aktuellen Schätzungen sind 60% der Schweizer Bürger dafür, Managerabfindungen ab sofort gesetzlich zu verbieten. Sollte sich diese Schätzung am 3. März 2013 als korrekt erweisen könnte dies eine Weichenstellung für ganz Europa bedeuten und der geplanten EU-Regulierung sehr entgegenkommen. Im Rahmen der Bankenregulierung möchte die EU nämlich auch die Höhe der Bonuszahlungen an Manager begrenzen und ein positiver Ausgang der Schweizer Volksbefragung könnte diesem Vorhaben weiter Vorschub leisten.

Thomas Minder (rechts) propagiert seine Volksabstimmung
Aber Minder ist nicht der Einzige, der der Selbstbedienungsmentalität in den Chefetagen endlich Daumenschrauben anlegen will. Auch die Jungsozialisten in der sonst so konservativen Schweiz sehen ein Umdenken in der Gesellschaft längst als überfällig. Mit ihrer „1:12-Initiative“, über die die Schweizer Bevölkerung im Herbst dieses Jahres abstimmen wird, haben es die Jungsozialisten auf Lohnobergrenzen im Management abgesehen. Geht es nach den Initiatoren, sollen Manager demnächst maximal das Zwölffache des geringsten Lohns in einem Unternehmen verdienen. Ein Blick auf die aktuellen Gehälter der Bosse zeigt, es ist allerhöchste Eisenbahn der Selbstbedienung in den Chefetagen einen Riegel vorzuschieben. Denn es kann nicht angehen, dass einige Manager das Geld der Investoren schamlos vernichten und dafür noch mit einem goldenen Handschlag belohnt werden.


Firma
Chef
Jahregehalt in Euro (gerundet)
VW
Martin Winterkorn
16 Millionen
Daimler
Dieter Zetsche
8,5 Millionen
Siemens
Peter Löscher
8,5 Millionen
Linde
Wolfgang Reitzle
6,7 Millionen
RWE
Jürgen Großmann
6,4 Millionen
Deutsche Bank
Josef Ackermann
6,2 Millionen
BMW
Norbert Reithofer
6,1 Millionen
SAP
Bill McDermott
6,1 Millionen
Adidas
Herbert Hainer
5,9 Millionen

Der BMW-Chef zahlt sich ein grandioses Gehalt, BMW macht satte Umsätze auf der ganzen Welt und dennoch beschäftigen die Inhaber, die Familie Quandt, mehr als 15 Prozent Leiharbeiter. Aber was soll man von einer Familie erwarten, die während des 3. Reichs Zwangsarbeiter ausgebeutet und sterben hat lassen und sich noch immer weigert, diese Problematik öffentlich zu diskutieren. Der am besten bezahlte Manager, VW-Chef Martin Winterkorn, sollte für seine Dienste im Jahr 2012 mit einem stolzen Salär von 20 Millionen Euro belohnt werden. Ganz ehrlich, welche Arbeit und möge sie noch so komplex sein, ist solch' eine Entlohnung wert? Werfen wir doch einmal einen realistischen Blick auf diese immense Zahl, für die es keine wie auch immer geartete Rechtfertigung geben kann. 20.000.000 Euro pro Jahr, das sind gigantische 83 Tausend Euro pro Tag. Und wofür, für die Maximierung der eigenen Bezüge auf Kosten der unteren Einkommen. Dafür, dass Arbeitsplätze vernichtet, reguläre Arbeitsplätze durch minderwertige Leiharbeitsplätze ersetzt werden und all’ das nur um in einer globalen Welt voller "Niedriglöhner" konkurrenzfähig zu bleiben. Diese "Niedriglöhner" oder Leibeigenen sind der Grund dafür, dass Wohlstand in Ländern wie Deutschland nach und nach vernichtet wird, dass die Schere zwischen Arm und reich sich immer weiter spreizt und immer mehr Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Wir können nicht gegen China, Bangladesch und Taiwan konkurrieren, denn ein Leben im Hochpreisland Deutschland ist kostspielig. Alleine das Überleben erfordert eine Lohnstruktur die weit über dem liegt was Leiharbeiter heute verdienen. Schaffen wir es nicht, diesen Teufelskreis umzukehren ist unsere Demokratie in großer Gefahr.

Ein paar Fakten führen uns den Wahnsinn vor Augen und wenn das alles nicht so verdammt traurig wäre, dann könnte man fast darüber lachen. So schüttet die Deutsche Bank pro Jahr mehr Boni als Dividende aus. Und während die Löhne in Deutschland den letzten Jahren kontinuierlich gesunken sind, in den Chefetagen der internationalen Konzerne sind sie in gigantische Höhen geklettert. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Kienbaum bezahlten sich die Bosse im Jahr 2010 elf Prozent mehr an Gehalt und 2011 stiegen ihre Bezüge immer noch um 6,8 Prozent. Gewerkschaften müssen dagegen um jeden einzelnen Prozentpunkt feilschen und kämpfen – eine Farce! Während sich der ordinäre Leiharbeiter mit rund 12.000 Euro Netto im Jahr zufriedengeben muss, nehmen sich die Bosse durchschnittlich 1,4 Millionen Euro Fixgehalt. Dazu kommen Boni, Dienstwagen, Villa, Personal und Leibwächter. 

So erhält der ehemalige TUI-Chef, der als Wertevernichter par excellence galt, ein jährliches Ruhestandsgeld von satten 800.000 Euro. Die aktuellen Rückstellungen für Daimler-Chef Zetsche liegen bei rund 30 Millionen Euro – mit so einem Polster lässt sich der Ruhestand ohne Frage richtig geniessen! Auch die 20 Millionen von Winterkorn haben keine Berechtigung, denn der zugrunde liegende Unternehmensgewinn beruht zur Hälfte auf Einmaleinnahmen, sind also vielmehr Bilanzschönungen, die das Gehalt des Bosses in fast unerhörte Höhen getrieben haben. Die Zeche zahlen die einfachen Arbeiter, jeden Euro den man ihnen abringt schlägt man oben auf die Gehälter auf. 

Ein ganz besonders unverschämtes Beispiel einer solchen unverschämten Bereicherung ist der ehemalige Novartis-CEO Daniel Vasella, der ein Netzwerk von Korruption um sich aufgebaut hatte das jeglicher Beschreibung spottet. Lassen sie sich vom freundlichen Grinsen dieses Ausbeuters nichts in die Irre führen, während seiner „Regentschaft“ in den Jahre 1996 bis 2010 spülte ihm sein perfides Vergütungssystem rund 300 Millionen Euro in die Haushaltskasse. Der Aufsichtsrat wurde finanziell gefügig gemacht und Vasella selbst war dessen Vorsitzender, als Vergleichsgruppe seiner Gehaltsstruktur zog Vasella ausnahmslos hochdotierte US-Vorstände heran und katapultierte seine Bezüge so in unerreichbare Dimensionen. Natürlich läßt sich die ehemalige Nummer eins bei Novartis auch seinen Abgang vergolden. Für ein Arbeitsverbot von sechs Jahren forderte Vasella einen Betrag von 59 Millionen Euro. Gigantische 59 Millionen für das Nichtstun! Auch wenn er im Zuge der Aufregung um die Volksabstimmung in der Schweiz nun einen Rückzug gemacht hat, die Empörung blieb.

Daniel Vasella bei der Novartis-Hauptversammlung
Statt dieser Selbstbedienung endlich Einhalt zu gewähren und wieder für Löhne zu sorgen, die diesen Namen auch verdienen, setzen unsere Volksvertreter lieber auf Selbstverantwortung. Von einer durch Korruption verseuchten Industrie so etwas wie Selbstverantwortung zu erwarten ist ähnlich naiv, wie vom einem Süchtigen zu erwarten er möge das Kokain vor seiner Nase verschmähen. Wer glaubt, dass sich dekadente Firmenlenker zu Gunsten ihrer Mitarbeiter zügeln, der liegt nicht nur falsch sondern ist zudem ziemlich naiv. Wer sich einmal an einen luxuriösen Lebensstil gewöhnt hat, der kann nur schwer von diesem lassen. Korrupte Arbeitnehmervertreter, die sich an Nutten und Champagner gewöhnt haben, vertreten wohl eher die Interessen ihrer Geldgeber und weniger der bedürftigen Arbeitnehmer.

Wer also hier in Deutschland in Kürze eine Änderung der prekären Situation erwartet, der kann warten bis er schwarz wird. Leider sind auch Politiker und Gewerkschaftslenker korrumpiert und viele sind mit Geld gefügig gemacht. Die Politik ist europaweit mit Lobbyisten durchseucht und welche Lobby hat der Bürger - KEINE. Wir schaffen es nicht einmal uns zu organisieren, bei Demonstrationen sind gerade einmal ein paar Tausend auf den Straßen, so lassen sich verkrustete Strukturen nicht aufbrechen. Die Masse wird mit Brot und Spielen und mit der Angst vor Arbeitsplatzverlust ruhig gestellt und wirkt wie paralysiert. Unsere Jugend wird von Massenmedien gesteuert, die ungebremsten Konsum als ultimativen Lebenssinn propagieren. Warum leben gerade in unserem Lande so viele Ignoranten, Heuchler und Egoisten? Hat das etwas mit unserem Genpool zu tun oder warum sind Franzosen, Spanier und Griechen, ja sogar Ägypter, sehr viel kämpferischer und mutiger wenn es um ihre Rechte geht. Warum schafft es Deutschland nicht einmal, diese Probleme objektiv zu thematisieren und zu diskutieren. Warum nur ist die deutsche Presse so oft das manipulative Werkzeug der herrschenden Klasse, warum kommt sie ihrem Auftrag, Missstände öffentlich anzuprangern, immer weniger nach. Hier liegt auch der Schlüssel für den Niedergang der Presse, sie passt sich an das Niveau vieler Fernsehsender an und für Schrott wollen Menschen heute keinen Penny mehr bezahlen. Das wenige noch verfügbare Geld wird in die wirklich wichtigen Dinge investiert. Pressefreiheit ist in Deutschland eine Utopie, wenn wundert das, wenn auch bei uns und nicht nur in Italien die vermeintlich freie Pressen von der Politik gesteuert wird. So ist beispielsweise die SPD zu 50% an einem Verlag beteiligt. Kann ein Journalist provokant über eine Partei schreiben, wenn diese doch sein Brötchengeber ist? Sicher nicht!

Anstelle einer echten Initiative, die unsere Bevölkerung endlich wach rütteln und zum Handeln bringen würde, ziehen pseudo-politische Talkshows á la Maybritt Illner das Ganze auch noch ins Lächerliche. Politiker werden in diesen Talkshows mit Samthandschuhen angefasst, Probleme werden verharmlost oder, was noch fataler ist, einfach ins Lächerliche gezogen. Dass der Rest der Welt über uns Deutsche lacht und den Kopf schüttelt, interessiert die Masse der Ignoranten wenig. Anstatt die Arbeit niederzulegen, die Republik zu blockieren und auf diese Weise die so dringenden Veränderungen in der Arbeits- und Lohnstruktur herbeizuführen, ziehen wir es vor froh zu sein – über diese tolle Leiharbeit, diesen Minijob oder das geliebte, wenn auch unbezahlte, Praktikum. Schließlich haben wir dazu 10 andere Bewerbern ausgebootet, ein echtes Erfolgserlebnis.

Wenn wir nicht endlich aufwachen und uns einmischen, uns empören, dann werden wir enden wie Spanien und Griechenland. Nivellierung heißt das Schlüsselwort, ganz Europa soll nivelliert werden auf ein Niveau, das global konkurrenzfähig ist. Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte, lernen wir aus diesen Fehlern und vermeiden wir dadurch, was frühere Menschen nicht vermeiden konnten – einen Krieg. Es ist ganz einfach, wie schon Stéphane Hessel in seiner Abhandlung „Empört Euch“ vorschlägt, wir müssen uns nur auf Artikel 22 der Menschenrechte berufen, dort findet sich das Wichtigste „Schwarz-auf-Weiß“. Wir haben ein Anrecht darauf, fordern wir es also endlich ein.

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