Mittwoch, 21. November 2012

Das Märchen vom Fachkräftemangel – Teil 2


Der Selbstversuch – ein Desaster

Meine erste Erfahrung in diesem Selbstversuch ließ nichts Gutes ahnen, dabei begann mein Bewerbungsmarathon so vielversprechend – mit einer Einladung zum Vorstellungsgespräch. Ich hatte mich auf einen 400 Euro-Job bei einem Verein beworben, als Leiterin der Geschäftsstelle, man höre und staune, für 400 Euro. Angekommen, wurde mir in einem kleinen Büro eine Tasse Kaffee angeboten und dann ging die Fragerei schon los, Fragen, als würde ich mich für den Vorstandsposten eines Industriegiganten bewerben. Wegen 400 Euro im Monat rückte ein ganzes Bataillon an Interviewern an deren Fragen auch vor privaten Dingen nicht halt machten. Natürlich bekam ich einige Tage später die bereits erwartete Absage und sie werden es kaum glauben, eine Woche später ein Angebot mich doch unentgeltlich einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Verein zu widmen. Den Verzweifelten kostenlose Arbeit anbieten und vielleicht auch noch um eine kleine Spende bitten, irgendetwas läuft falsch in diesem, unserem Lande. Doch von einem Fehlschlag lasse ich mir nicht meinen Optimismus verderben. Also schrieb ich weiter fleißig meine Bewerbungen, wobei ich mich nur auf optimal zu meiner Qualifikation passende Stellen bewarb. Nach einigen Wochen konnte ich bestätigen was auch meine Befragten kommuniziert hatten, 50 Prozent meiner Bewerbungen blieben unbeantwortet.

Wut und Frust durch Absagen

Obwohl ich nicht wirklich arbeitssuchend war, frustrierte mich dieses Verhalten mehr und mehr. Natürlich fragte ich auch dann und wann nach, vielfach blieben auch diese Emails unbeantwortet. Da ich mich nun täglich auf Jobbörsen herumtrieb, sah ich natürlich auch, was ich schon von vielen Befragten gehört hatte, erneute Stellenausschreibung vermeintlich besetzter Vakanzen. Meine Laune wurde durch diese Recherchen nicht gerade besser, wenn dies so weiterging, müsste ich mich bald erneut für die gleichen Positionen bewerben. Ich konnte die Betroffenen gut verstehen, schließlich verlangt das Arbeitsamt Eigeninitiative und das bedeutet Minimum drei Bewerbungen je Woche zu verfassen. Fragt sich nur an wen, wenn man bereits überall abgelehnt wurde. Doch ich gab nicht auf, weiter schrieb ich fleißig meine sauber ausgearbeiteten Bewerbungen, obwohl mich das Ganze schon ziemlich nervte. Natürlich hagelte es auch viele Absagen, was mich langsam zu ängstigen begann. Was, wenn ich irgendwann einmal tatsächlich auf Arbeitssuche wäre, es sah in meinem Alter nicht gerade rosig aus, das wurde mir schlagartig klar als ich nach 6 Monaten vor meiner Auswertung saß. Mein Studium schien Niemanden wirklich zu interessieren, viel wichtiger war da schon, welche Gehaltsvorstellungen ich hatte.  Natürlich konnte ich bei den Gehaltsvorstellungen, zumindest zum gegebenen Zeitpunkt, noch nicht mit den verzweifelt nach Arbeit Suchenden mithalten.

Sie haben nicht die „interlektuelle Befähihgung“

Ich musste bei den vielen Absagen, die sich in meinem Email Postfach häuften, also meine Strategie ändern. Gehaltsvorstellungen runter und auf weniger qualifizierte Jobs bewerben hieß nun meine Devise. Doch auch hiermit schien ich nicht wirklich erfolgreich zu sein. Selbstbewusstsein und Überqualifikation kamen bei weniger gebildeten Vorgesetzten nicht wirklich gut an. Langsam war ich am verzweifeln. Die wenigen Vorstellungsgespräche die ich in den letzten Monaten hatte, waren eine echte Niederlage für einen vom Erfolg verwöhnten Menschen wie mich. Hinzu kam, die Absagen waren so langweilig, dass es mir beim Lesen die Schuhe auszog. Also zurück zur Qualifikation und prompt kam ein aussichtsreiches Vorstellungsgespräch. Nach rund acht Wochen die Antwort – man hatte sich leider gegen mich entschieden. Weitere 3 Wochen später, die gleiche Vakanz erneut inseriert, ich konnte es kaum fassen, war enttäuscht und fragte höflich nach den Gründen für die Absage. Die Antwort möchte ich ihnen nicht vorenthalten, liebe Leser, denn sie sagt einiges aus über die soziale und emotionale Intelligenz in den Führungsetagen deutscher Unternehmen. Ich habe nichts am Wortlaut geändert. Interessant finde ich, dass mir hier Jemand meine intellektuellen Fähigkeiten absprechen will, der selbst nicht einmal in der Lage ist dieses Wort korrekt zu buchstabieren. Ich denke diese Email Bedarf keines Kommentars.

Sehr geehrte Frau X,

schon diese email Zeug davon, dass Sie für eine solche Stelle nicht geeignet sind!!!

Wenn Sie es gerne hören wollen, Sie sind weder von der Persönlichkeit noch von der Qualifikation für diese Stelle geeignet. Da Sie weder Farbig, noch Ausländer sind und die Stelle mit Frau Dr. M. mit einer Frau besetzt wurde, fällt auch das Argument einer Diskriminierung weg. Es steht Ihnen kein Urteil zu, ob und wie häufig wir eine Stelle zu besetzen haben, da SIe weder die Erfahrung noch scheinbar die interlektuelle Befähihgung dazu haben.

Dr. Thomas F.

Fazit – Qualifikation und Selbstbewusstsein, eine tödliche Kombination

Dies war dann auch das Ende meines kleinen Selbstversuchs, länger hätte ich das auch nicht mehr ausgehalten. Abschließend lässt sich sagen, dass ein Mangel an Qualifikation so gut wie nie der Grund für eine Absage ist, häufig ist es eher ein Zuviel an Wissen und Expertise, das einen Kandidaten ausscheiden lässt. Die Gründe liegen wie immer wenn es um Menschen, Gruppen und Egos geht, viel tiefer und hängen ganz vom Individuum und dessen Selbstsicht ab. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass sich Menschen bereits innerhalb von drei Sekunden für Sympathie oder Antipathie entscheiden und dass dabei auch ihre persönliche Expertise, ihr eigenes Wissen und ihre ganz persönliche Wertschätzung eine Rolle spielt. Lasse ich sämtliche Ereignisse Revue passieren, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass Alter in einer Kombination mit Qualifikation, Selbstbewusstsein und einem umfangreichen Wissen ein großer Risikofaktor für ein Versagen am Arbeitsmarkt ist. Hier dürfte wohl das größte Problem arbeitsloser Hochqualifizierter liegen. 

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