Der Selbstversuch –
ein Desaster
Meine erste Erfahrung in diesem Selbstversuch ließ nichts
Gutes ahnen, dabei begann mein Bewerbungsmarathon so vielversprechend – mit
einer Einladung zum Vorstellungsgespräch. Ich hatte mich auf einen 400 Euro-Job
bei einem Verein beworben, als Leiterin der Geschäftsstelle, man höre und
staune, für 400 Euro. Angekommen, wurde mir in einem kleinen Büro eine Tasse
Kaffee angeboten und dann ging die Fragerei schon los, Fragen, als würde ich
mich für den Vorstandsposten eines Industriegiganten bewerben. Wegen 400 Euro
im Monat rückte ein ganzes Bataillon an Interviewern an deren Fragen auch vor
privaten Dingen nicht halt machten. Natürlich bekam ich einige Tage später die
bereits erwartete Absage und sie werden es kaum glauben, eine Woche später ein
Angebot mich doch unentgeltlich einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Verein zu
widmen. Den Verzweifelten kostenlose Arbeit anbieten und vielleicht auch noch
um eine kleine Spende bitten, irgendetwas läuft falsch in diesem, unserem
Lande. Doch von einem Fehlschlag lasse ich mir nicht meinen Optimismus
verderben. Also schrieb ich weiter fleißig meine Bewerbungen, wobei ich mich
nur auf optimal zu meiner Qualifikation passende Stellen bewarb. Nach einigen
Wochen konnte ich bestätigen was auch meine Befragten kommuniziert hatten, 50
Prozent meiner Bewerbungen blieben unbeantwortet.
Wut und Frust durch Absagen
Obwohl ich nicht wirklich arbeitssuchend war, frustrierte
mich dieses Verhalten mehr und mehr. Natürlich fragte ich auch dann und wann
nach, vielfach blieben auch diese Emails unbeantwortet. Da ich mich nun täglich
auf Jobbörsen herumtrieb, sah ich natürlich auch, was ich schon von vielen
Befragten gehört hatte, erneute Stellenausschreibung vermeintlich besetzter
Vakanzen. Meine Laune wurde durch diese Recherchen nicht gerade besser, wenn
dies so weiterging, müsste ich mich bald erneut für die gleichen Positionen
bewerben. Ich konnte die Betroffenen gut verstehen, schließlich verlangt das
Arbeitsamt Eigeninitiative und das bedeutet Minimum drei Bewerbungen je Woche
zu verfassen. Fragt sich nur an wen, wenn man bereits überall abgelehnt wurde.
Doch ich gab nicht auf, weiter schrieb ich fleißig meine sauber ausgearbeiteten
Bewerbungen, obwohl mich das Ganze schon ziemlich nervte. Natürlich hagelte es
auch viele Absagen, was mich langsam zu ängstigen begann. Was, wenn ich
irgendwann einmal tatsächlich auf Arbeitssuche wäre, es sah in meinem Alter
nicht gerade rosig aus, das wurde mir schlagartig klar als ich nach 6 Monaten
vor meiner Auswertung saß. Mein Studium schien Niemanden wirklich zu
interessieren, viel wichtiger war da schon, welche Gehaltsvorstellungen ich
hatte. Natürlich konnte ich bei
den Gehaltsvorstellungen, zumindest zum gegebenen Zeitpunkt, noch nicht mit den
verzweifelt nach Arbeit Suchenden mithalten.
Sie haben nicht die
„interlektuelle Befähihgung“
Ich musste bei den vielen Absagen, die sich in meinem Email
Postfach häuften, also meine Strategie ändern. Gehaltsvorstellungen runter und
auf weniger qualifizierte Jobs bewerben hieß nun meine Devise. Doch auch
hiermit schien ich nicht wirklich erfolgreich zu sein. Selbstbewusstsein und
Überqualifikation kamen bei weniger gebildeten Vorgesetzten nicht wirklich gut
an. Langsam war ich am verzweifeln. Die wenigen Vorstellungsgespräche die ich in
den letzten Monaten hatte, waren eine echte Niederlage für einen vom Erfolg
verwöhnten Menschen wie mich. Hinzu kam, die Absagen waren so langweilig, dass
es mir beim Lesen die Schuhe auszog. Also zurück zur Qualifikation und prompt
kam ein aussichtsreiches Vorstellungsgespräch. Nach rund acht Wochen die
Antwort – man hatte sich leider gegen mich entschieden. Weitere 3 Wochen
später, die gleiche Vakanz erneut inseriert, ich konnte es kaum fassen, war
enttäuscht und fragte höflich nach den Gründen für die Absage. Die Antwort
möchte ich ihnen nicht vorenthalten, liebe Leser, denn sie sagt einiges aus
über die soziale und emotionale Intelligenz in den Führungsetagen deutscher
Unternehmen. Ich habe nichts am Wortlaut geändert. Interessant finde ich, dass
mir hier Jemand meine intellektuellen Fähigkeiten absprechen will, der selbst
nicht einmal in der Lage ist dieses Wort korrekt zu buchstabieren. Ich denke
diese Email Bedarf keines Kommentars.
Sehr geehrte Frau X,
schon diese email Zeug davon, dass
Sie für eine solche Stelle nicht geeignet sind!!!
Wenn Sie es gerne hören wollen, Sie
sind weder von der Persönlichkeit noch von der Qualifikation für diese Stelle
geeignet. Da Sie weder Farbig, noch Ausländer sind und die Stelle mit Frau Dr.
M. mit einer Frau besetzt wurde, fällt auch das Argument einer Diskriminierung
weg. Es steht Ihnen kein Urteil zu, ob und wie häufig wir eine Stelle zu
besetzen haben, da SIe weder die Erfahrung noch scheinbar die interlektuelle
Befähihgung dazu haben.
Dr. Thomas F.
Fazit – Qualifikation
und Selbstbewusstsein, eine tödliche Kombination
Dies war dann auch das Ende meines kleinen Selbstversuchs,
länger hätte ich das auch nicht mehr ausgehalten. Abschließend lässt sich
sagen, dass ein Mangel an Qualifikation so gut wie nie der Grund für eine
Absage ist, häufig ist es eher ein Zuviel an Wissen und Expertise, das einen
Kandidaten ausscheiden lässt. Die Gründe liegen wie immer wenn es um Menschen,
Gruppen und Egos geht, viel tiefer und hängen ganz vom Individuum und dessen
Selbstsicht ab. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass sich Menschen bereits
innerhalb von drei Sekunden für Sympathie oder Antipathie entscheiden und dass
dabei auch ihre persönliche Expertise, ihr eigenes Wissen und ihre ganz persönliche
Wertschätzung eine Rolle spielt. Lasse ich sämtliche Ereignisse Revue passieren,
kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass Alter in einer Kombination mit
Qualifikation, Selbstbewusstsein und einem umfangreichen Wissen ein großer Risikofaktor
für ein Versagen am Arbeitsmarkt ist. Hier dürfte wohl das größte Problem
arbeitsloser Hochqualifizierter liegen.
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