Es war einmal ..... die
Geschichte vom aussortierten Arbeitnehmer
Liebe Leser, ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die
Geschichte von der Arbeitssuche über 40, vom Fachkräftemangel, von einem Land,
das sich seines Wirtschaftswachstums rühmt und dabei einen Teil der
Gesellschaft einfach ignoriert, aussortiert und vergisst. Die Rede ist von
Deutschland, das sich gerade wieder einmal anmaßt eine Vormachtstellung in
Europa einzunehmen und dabei vor lauter Lobgesang auf seine Industrie, die
Menschen im eigenen Land und im Rest Europas vergisst. Die Schlagworte von den
Faulen, ob Griechen oder Arbeitslose, sind gleichzeitig Schläge ins Gesicht der
Menschen, deren Leben ein täglicher Kampf ist, ein Kampf um Arbeit, um
Anerkennung und um finanzielle Freiheit. Haben nicht alle Menschen ein Recht
auf Freiheit und wenn ja, weswegen verwehren wir dieses so wichtige Gut immer
mehr Menschen, indem wir sie an den Rand der Gesellschaft schieben, indem wir
ihnen würdige Arbeit und damit den letzten Funken Hoffnung auf eine wie auch
immer geartete Freiheit rauben. Wir sollen bitte künftig bis zum Tode arbeiten,
nicht nur die Deutschen, nein, auch die Griechen, vor allem die Griechen,
schließlich haben sie nur ein Drittel der Produktivität eines Deutschen. Schon
diese Aussage zeugt von der Arroganz und Anmaßung der deutschen Elite, wozu
sich heute natürlich auch Politiker zählen.
Arbeiten bis zum Tod
trotz Null-Aussicht auf Arbeit
Arbeiten bis 70, obwohl jedes Kind heute weiß, dass, wer die
40 überschritten hat, kaum noch adäquate Arbeit im Hightech-Land Deutschland
findet, und das obwohl Deutschland doch an einem enormen Fachkräftemangel
leidet. Tagtäglich tönt es aus den Medien, der Industrie fehlen adäquate
Fachkräfte, Deutschlands Industrie wird bald nicht mehr konkurrenzfähig sein.
Dass deutsche Produkte Angst vor Konkurrenz haben liegt nicht am
Fachkräftemangel, es liegt vielmehr daran, dass wir auf Grund unseres
Lebensstandards gar nicht mit Ländern wie China vergleichbar und deshalb auch
nicht konkurrenzfähig sein können. Da können wir noch so viele Arbeitnehmer in
prekäre Beschäftigungen drängen, am Ende schlägt es auf uns alle zurück. Wer
nichts verdient, der kann auch nicht konsumieren, doch der Binnenmarkt ist
wichtig und wird umso wichtiger je weiter sich Länder wie China entwickeln und
autark werden. Hören wir auf einen Fachkräftemangel zu beklagen, nutzen wir
stattdessen die vielen hochqualifizierten Arbeitnehmer über 45. Hören wir auf
nur zum Wohle der Renditen, des Sharholder Values und des Exportwahns zu
wirtschaften. Das so genannte Jobwunder ist eine Farce, es wird Zeit dass wir
als Gesellschaft diesen Fehltritt rückgängig machen. Sind wir doch einmal
ehrlich, wer von uns gut bezahlten Arbeitnehmern würde für 7 Euro die Stunde
unter oftmals schwierigen Arbeitsbedingungen arbeiten. Abgesehen davon, dass
wir mit unseren oftmals dekadenten Lebensstilen gar nicht davon leben könnten,
stehen wir natürlich über den Billiglöhnern, Zeitarbeitern und Aufstockern. So
wie wir gerade auf die Griechen und die ärmeren Länder der EU herabsehen und
uns als deren Richter aufspielen, so machen wir es auch mit dem Teil der
Bevölkerung, der arm, alt und pflegebedürftig ist.
Das Märchen vom
Fachkräftemangel
Keiner, der noch Arbeit hat, kann sich die verzweifelte Suche
nach würdevoller Arbeit auch nur ansatzweise vorstellen. Doch das Heer der
Arbeitssuchenden über 40 wächst stetig, auch wir könnten morgen schon dazu
gehören, Niemand ist vor der Gier nach Rendite sicher, deshalb lade ich sie
ein, mich auf meiner kurzen Suche zu begleiten. Jeder der über 40 auf
Arbeitssuche geht kennt die Probleme und vorgeschobenen Vorurteile, die
Ignoranz und Überheblichkeit, die vielen bei der Suche nach Arbeit
entgegenschlägt. Vor allem Deutschland hat ein Problem mit älteren
Arbeitnehmern, ein Hohn, angesichts der Tatsache, dass wir zu einem der am
schnellsten alternden Länder Europas zählen. Ein Blick auf unsere Gesellschaft
und deren Umgang mit dem Alter macht klar, hier muss sich etwas ändern. Der in
Politik und leider auch immer häufiger in den Medien so oft zitierte Mangel an
Qualifikation spielt bei der Ablehnung eines Arbeitnehmers so gut wie keine
Rolle. Vor allem die Älteren sind oft hochqualifiziert. Dennoch wird der Schrei
nach Fachkräften in Deutschland immer lauter, erst kürzlich hat unsere verehrte
Kanzlerin angekündigt, sich persönlich um dieses große Problem kümmern zu
wollen. Der Fachkräftemangel, so Angela Merkel, ist ein Problem, dem wir ab
sofort oberste Priorität einräumen. Schon deshalb sollten wir uns bei der Wahl
gegen diese Option entscheiden. Wer Deutschland führen will, des muss sich für
alle Menschen einsetzen, nicht nur für eine Wirtschaft, der jegliches Maß
verloren gegangen zu sein scheint.
45+ Arbeitslose – gebildet
und hochqualifiziert
Was die vielen bestausgebildeten Arbeitslosen 45+, deren
Ausbildung vom Naturwissenschaftler bis zum Ingenieur reicht, zu diesem
Populismus zu sagen haben, bleibt weitgehend im Dunkeln. Wer keine Arbeit hat,
hat oft auch nichts mehr zu sagen. Industrie manipuliert Politik, Politik
manipuliert Medien, deshalb begab ich mich für meine Geschichte an die Quelle,
die Arbeitssuchenden selbst wollte ich zu ihrer Meinung zum aktuellen
Arbeitsmarkt und ihren Erfahrungen mit Arbeitgebern befragen. Das Arbeitsamt –
was für ein erschreckender Ort – aber auch das Internet boten einen reichen
Fundus, der mich der Wahrheit zu Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel im
reichsten Land Europas ein kleines Stückchen näher brachte. Auch wenn meine Befragung
für eine repräsentative Umfrage eine zu geringe Stichprobe aufweist, so ist sie
doch ein sehr bedenklicher Querschnitt durch unsere Bevölkerung. Viele
Physiker, Chemiker, Elektrotechniker und Maschinenbauer jenseits der 40 gaben
mir bereitwillig Auskunft, doch aufstehen und sich wehren, dazu sehen sich die
meisten von ihnen aus den verschiedensten Gründen nicht in der Lage.
Einstellungsstop für
45+
Die Arbeitsagentur, so viele Betroffene, ist bei der Suche
nach einer neuen Arbeit keine wirkliche Hilfe. Obwohl die Berater, wie könnte
es anders sein, genau wissen, dass rund 50 Prozent aller Arbeitgeber keine
Mitarbeiter über der magischen Grenze 45 einstellen, wird nichts dagegen getan.
Sollten sie über 45 sein, vergessen sie ein Onlinebewerbung über ein
Onlineformular, ihre Bewerbung wird nämlich nie ankommen. Oh Wunder, woran das
wohl liegen mag. Ganz einfach, sobald die Datenbank ihr Geburtsdatum erkannt
hat und dieses über 45 liegt, wird ihre Bewerbung ganz automatisch gelöscht.
Das erstaunte auch viele Betroffenen, die zwischen drei und fünf Bewerbungen
pro Woche schreiben, von denen rund 50 Prozent von den Arbeitgebern einfach ignoriert
werden. 50 Prozent aller individuell verfassten Bewerbungen werden von
Arbeitgebern also einfach ignoriert, obwohl diese eine Arbeitsstelle ja explizit
ausschreiben und zur Bewerbung auffordern. Dies konnte ich kaum glauben, dachte
an Übertreibung, Wut und Verzweiflung der Betroffenen. Andererseits waren viele
dieser Arbeitssuchenden eher konservativ und meist wenig zu Übertreibung
neigende Realisten. Da waren hochqualifizierte Mittfünfziger, die unverschuldet
hochdotierte Arbeitsplätze verloren hatten, und nach längerer Arbeitslosigkeit
dankbar für einen 400 Euro-Job sein mussten. Da gab es ausgebildete Elektroingenieure,
die sich über ein bezahltes Praktikum freuen mussten und Mini-Jobber mit einem
Doktortitel. Viele berichteten davon, nicht einmal bei 400 Euro-Jobs
berücksichtigt worden zu sein, wobei gerade ihre frühere Führungsposition ein
unüberwindbares Hindernis darstellte. Qualifikation und Selbstbewusstsein als
Hindernis, was heute händeringend in Vorstandsetagen gesucht wird, kann einem
Arbeitslosen zum Verhängnis werden. Ich war erschüttert, gleichzeitig wollte
ich die Aussagen der Befragten überprüfen, sie quasi am eigenen Leibe erfahren.
Also entschloss ich mich zu einem Selbstversuch. Über meine frustrierenden
Erfahrungen lesen Sie im nächsten Teil.
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