Donnerstag, 28. Juni 2012

Die lukrativen Lügen mit „Functional Food“

Sie senken den Cholesterinspiegel, beugen Herzinfarkt, Schlaganfall und sogar Krebserkrankungen vor oder schützen die vom Schlankheitswahn Infizierten gegen den ach so gefürchteten Blähbauch. Die Rede ist von den mit allen Marketingtricks beworbenen neuen Lebensmitteln, den so genannten „Functional Foods“. Was sich die Nahrungsmittelkonzerne heute einfallen lassen ist nicht nur Irreführung sondern grenzt in vielen Fällen bereits an Körperverletzung. Ihre Marketingexperten sorgen dann mit trügerischen Kampagnen dafür, dass die mit Farbstoffen, Aromastoffen und einer ewig langen Liste von Zusatzstoffen aufgemotzten minderwertigen Rohstoffe wie hausgemacht aussehen. Als Lebensmittelchemikerin und Neuromarketingexpertin kenne ich die Tricks genau, dennoch kann ich nicht umhin das eine oder andere Produkt in die Hand zu nehmen. Die schönen Bilder auf den Verpackungen zusammen mit den überzeugenden Slogans lassen das unbewusste Gehirn glauben was es glauben möchte. Wer würde nicht Appetit bekommen bei Aussicht auf ein natürliches Joghurt, das nur aus reinsten Inhaltsstoffen und einer Menge reifer Früchte besteht.

Auch ich muss in diesen Fällen ganz bewusst mein Kritikzentrum einschalten, das dem Unbewussten ganz schnell die Freude auf das leckere Mahl verdirbt. Doch dieses Szenario zeigt uns auch wie gut diese Tricks gemacht sind und wie effizient sie funktionieren. Nichts ist den Lebensmittelkonzern heilig, es wird die Trickkiste des Marketing geplündert, nur um an das Geld der unwissenden Verbraucher zu kommen. Dabei gibt es zumindest bisher keine einzige seriöse Studie, die beweist, dass Lebensmittel irgendwelche präventiven Wirkungen besitzen. Vom gesetzlichen Standpunkt aus ist es zudem nicht erlaubt ein Lebensmittel mit heilenden Wirkungen in den Verkehr zu bringen. Was heilt fällt in die Rubrik Arzneimittel und muss unter den strengen Vorgaben des Arzneimittelgesetzes geprüft und zugelassen werden. Doch da „Functional Foods“ diese Kriterien niemals erfüllen können, macht man gar nicht den Versuch, eine präventive Wirkung wissenschaftlich zu evaluieren.

Stellt sich für mich die Frage, weshalb wird solch irreführende Werbung nicht verboten, weshalb schützt uns der Staat, der ja eigentlich für unsere Sicherheit verantwortlich ist, vor solchen Statements der großen Nahrungsmittelkonzerne nicht. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt sehr schnell wie verwoben Politik und Nahrungsmittelindustrie doch sind, wir werden nicht nur vor irreführender Werbung nicht geschützt, die industrielle Nahrung macht auch immer mehr Menschen krank, ohne dass auch nur ein Politiker einen Finger krumm macht. Die Fettleibigen explodieren, der Diabetes ist bereits heute ein ausgewachsenes Problem, das vor allem Jugendliche und sogar schon unsere Kinder betrifft. Gerade Kinder bedürfen des besonderen Schutzes, denn sie sind noch nicht in der Lage diese Machenschaften zu durchschauen, sie glauben was ihnen die ansprechende Werbung von frischen, natürlichen und gesunden Zutaten verspricht. Lange Zeit war auch aus der Ärzteschaft keine Kritik zu vernehmen, doch langsam scheint sich das Blatt zu wenden, einige Ärzte schlagen Alarm, stellen sich endlich gegen die Lebensmittelindustrie und sprechen Klartext. Doch es könnte schon zu spät sein, die Fettleibigen in Deutschland haben sich in relativ kurzer Zeit verdoppelt, zusammen mit dem metabolischen Syndrom sorgen diese Störungen aber für fette Gewinne bei der Pharmaindustrie.

Doch was interessiert diese Problematik die Pharmaindustrie, solange die Gewinne sprudeln und die Aktionäre zufrieden sind, ist doch alles in bester Ordnung. Doch wer aber sorgt sich um unsere Kinder die bereits Degenerationen eines 50- bis 60-jährigen Menschen aufweisen. Wer macht sich Gedanken um die medizinischen Kosten, die schon jetzt gigantisch sind und bei einem weiteren Anstieg der Fettleibigen explodieren werden. Schon bald werden deswegen weitere Streichungen von Leistungen die Folge sein, zusammen mit den zunehmenden Billigjobs wird dies in eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes führen.

Man mag über die USA ja geteilter Meinung sein, doch wenn es um Verbraucherschutz geht sind die Amerikaner einsame Spitze und machen regelmäßig durch hohe Strafen auf sich aufmerksam. Unmöglich wäre deshalb auch das Urteil gegen Danone wegen irreführender Werbung im Falle von Activia gewessen. Während der Konzern in den USA den Actimel-Spot, der hochtrabend von positiven Effekten auf den Verdauungstrakt und das Immunsystem fabuliert, nicht mehr ausstrahlen darf, machen hierzulande Pseudo-Promis weiterhin Verbrauche wirr. In einem Vergleich hat sich Danone sogar dazu verpflichtet, 35 Millionen USD and Käufer von Activia und DanActive (bei uns als Actimel bekannt) zurückzuzahlen. Außerdem wird eine Strafe von 21 Millionen USD wegen der Irreführung der Verbraucher fällig. Sollte Danone von der präventiven Wirkung von Activia und Actimel überzeugt sein, so stehe noch die Zulassung durch die FDA, also die amerikanische Zulassungsbehörde offen.

In Defense of Food gibt Autor Michael Pollan einen klugen Rat, dem ich mich anschließen möchte: „Essen Sie niemals Etwas das Sie in einer Werbung gesehen haben“! Und gibt es Lebensmittel die aggressiver beworben wurden als Activia und Actimel? Wer von uns weiß nicht oder glaubt zu wissen, dass die Joghurt Produkte voller gesunder probiotischer Bakterien sind, die eine positive Wirkung auf unseren Darm und unser Immunsystem haben. Die uns deshalb vor einem Blähbauch genauso schützen wie vor einer Erkältung. Was oft genug wiederholt wird, prägt sich als Realität in unser Gehirn und wird ganz ohne unser zutun bei Bedarf wieder abgerufen.

Zwar hat nun auch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde einen Bericht veröffentlicht, in dem sie über 500 Produkte und Inhaltsstoffe auf ihre Werbeaussagen geprüft und herausgefunden, dass es keinerlei wissenschaftlichen Beweis gibt, der die Werbung zur Gesundheit unterstützt, doch aktiv geworden ist man bisher noch nicht. Dabei liegt diese Untersuchung schon einige Jahr zurück, weshalb also wird solange nichts gegen die Konzerne unternommen, weshalb dürfen sie uns Verbraucher weiter in die Irre führen und uns wie im Falle von Danone 30 % mehr für einen Joghurt abknöpfen. Joghurt ist ohne Zweifel ein gesundes Lebensmittel, doch Danone’s Produkte sind weder besser noch sind die Werbeaussagen, wie Danone vollmundig deklariert, weder klinisch noch wissenschaftlich bewiesen.

Das einzige was Sie also beim Kauf von Activia und Actimel bekommen, ist ein aufgeblähter Preis. Und weil Sie Danone’s Joghurts auch noch mehrmals die Woche essen müssen, um auch wirklich den angepriesenen positiven Effekt zu verspüren, sprang der Umsatz mit Activia im ersten Jahr alleine in Nordamerika auf 100 Millionen USD. In 25 Ländern zählt Activia auf Grund der irreführenden Werbung zu den meistgekauften Joghurts und ist für gigantische 40 % der weltweiten Umsätze des Unternehmens Danone verantwortlich. Angesichts dieser Zahlen wird klar wie das Verbraucherhirn funktioniert und weshalb viele Unternehmen mit Gesundheitsversprechen werben. Damit wird aber auch klar, um welche gigantischen Summen es hier geht. Doch wenn Danone so überzeugt von der Überlegenheit seiner probiotischen Bakterien ist, wenn es wirklich glaubt, was es in Werbung und auf Verpackungen vollmundig anpreist, weshalb, frage ich mich, investiert das Unternehmen dann nicht in eine valide klinische Studie. Diese würde doch alle Probleme mit einen Streich vom Tisch fegen, weshalb also tun sie es nicht, am Geld kann es bei diesen Gewinnen nicht liegen. Die Antwort auf diese Frage lasse ich offen, vielleicht kommen Sie nach einigen Überlegungen ja selbst darauf.

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